Schäden durch Atomkraft

12. März 2014

Schäden durch Atomkraft

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Reaktorunfälle wie in Fukushima sind die sichtbaren Schäden der zivilen Nutzung der Atomkraft. Aber auch Fehlinvestitionen in Kraftwerke, die nie ans Netz gingen, summieren sich auf Hunderte Milliarden.
WDR-Recherchen zeigen globale Kosten der friedlichen Nutzung der Atomenergie.

Von Jürgen Döschner, WDR-Wirtschaftsredaktion

Tschernobyl und Fukushima sind die bislang größten, bekanntesten und teuersten Reaktor-Unfälle in der Geschichte der Atomkraft. Die beiden Atomkatastrophen haben zusammen Schäden in Höhe von mindestens 450 Milliarden US-Dollar verursacht. Doch es sind bei weitem nicht die einzigen Namen, die für eine gigantische Geld- und Wertevernichtung durch die friedliche Nutzung der Kernenergie stehen. Auch Wackersdorf, Kalkar, Zwentendorf in Österreich, das tschechische Temelin oder Kostroma in Russland und Hartsville, USA gehören in diese Reihe.

Es habe immer wieder Fehlinvestitionen gegeben, sagt Mycle Schneider, Atomexperte und Herausgeber des jährlichen „World Nuclear Status Report“. Er verweist auf Reaktorbaustellen, die nie fertiggestellt worden seien oder sogar fertiggestellt, aber nicht in Betrieb genommen worden seien. „Zum Beispiel in Bulgarien, wo zwei Atomkraftwerke 25 Jahre lang im Bau waren und vor anderthalb Jahren schlicht aus der Liste gestrichen worden sind, das heißt die Bauarbeiten wurden einfach eingestellt“, sagt Schneider.

Eine offizielle Statistik solcher Investitions-Ruinen existiert bislang nicht. Nach Recherchen des WDR gibt es jedoch weltweit mehr als einhundert Reaktor-Ruinen und andere zivile Nuklearprojekte wie zum Beispiel Wiederaufbereitungsanlagen oder Atommüll-Lager, die nie oder nur sehr kurze Zeit in Betrieb waren. Allein dadurch wurden mehr als 500 Milliarden Dollar im wahrsten Sinne des Wortes in den Sand gesetzt. Insgesamt beläuft sich der volkswirtschaftliche Schaden der Atomkraft nach Recherchen des WDR auf mehr als eine Billion US-Dollar – berechnet im Wert von 2012.

Die Atomkraft ist damit die größte Fehlinvestition aller Zeiten, sagt Nuklear-Experte Schneider. „Es gibt keine andere Branche, in der so viele Projekte auf so viele verschiedene Arten und Weisen zu Kapitalvernichtung geführt haben“, erklärt er.

Volkswirtschaftlicher Schaden durch zivile AKW-Nutzung

Atomruinen

Mit Reaktor-Ruinen 500 Milliarden Dollar in den Sand gesetzt

Kosten (mindestens):

  • AKW-Ruinen (nie oder kaum genutzte Anlagen): 524 Milliarden Dollar
  • AKW-Katastrophen und Unfälle: 461 Milliarden Dollar
  • Gescheiterte Endlager-Projekte: 17 Milliarden Dollar
  • Schäden durch Uran-Abbaubetriebe (inkl. Altlasten): 16 Milliarden Dollar

GESAMTSUMME  1,018 Billionen Dollar (Quelle: WDR-Recherchen)

Kosten von 150 Milliarden Dollar in Deutschland

Allein in Deutschland summieren sich nach Recherchen des WDR die atomaren Fehlinvestitionen und der Aufwand etwa zur Sanierung der Asse und des Uranabbaus in Wismut auf umgerechnet mehr als 150 Milliarden US-Dollar. Wohlgemerkt: Es geht nicht um die Kosten der Atomenergie als solcher, sondern allein um jene Summen, die ohne jeden Gegenwert für die Atomkraft ausgegeben wurden.

„Die Gründe dafür liegen unter anderem in dem hohen Risiko und dem immensen Kapitalbedarf dieser Technologie“, sagt Schneider. Aber auch wenn die meisten Atom-Ruinen aus den 70er- und 80er-Jahren stammen – für ihn geht es bei den gigantischen Fehlinvestitionen keineswegs um „Kinderkrankheiten“ oder „Lehrgeld“. „Lehrgeld bedeutet ja, dass man daraus lernt. Und interessanterweise ist es ja so, dass es bei der Atomindustrie genau umgekehrt ist – das heißt, die Technologie ist immer teurer geworden und wird nach wie vor immer teurer“, sagt er. „Es gibt einen Analytiker, der nennt das ‚forgetting by doing‘ oder eine ’negative Lernkurve'“. Das Problem beschränke sich keineswegs auf die Projekte aus der Anfangszeit der Atomkraftwerke, sondern habe sich fortgesetzt.

 

Weitere Fehlschläge absehbar

Und es wird noch weitergehen. Weitere Kandidaten für nukleare Investitionsruinen sind zum Beispiel der so genannte Fusionsreaktor, der vermutlich technisch nie realisiert werden kann, und der EPR-Reaktor in Olkiluoto, der nach fast zehn Jahren Bauzeit immer noch nicht am Netz ist. Auch ist längst nicht gesagt, dass die geschätzten Kosten von 250 Milliarden US-Dollar für die Fukushima-Katastrophe das Ende der Fahnenstange sind.

 

Ausdehnung der Fukushima-Schäden nicht absehbar

„Es ist derzeit überhaupt nicht abzuschätzen, wie weit sich die Schäden ausdehnen werden. Denn es wird ja weiterhin Radioaktivität in die Umwelt abgegeben“, sagt Schneider. „Und es lässt sich nicht ausschließen, dass die Situation sich erheblich verschlechtert, wenn etwa weitere Unfälle passieren – zum Beispiel ein Feuer in einem Abklingbecken.“

Und schließlich kann man mit Gewissheit davon ausgehen, dass Fukushima nicht die letzte große Reaktorkatastrophe war. Das Billionen-Dollar-Desaster Atomkraft wird also auch in Zukunft die Menschen noch teuer zu stehen kommen.

Quelle: tagesschau.de (WDR)

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