Sogar der Zaun liefert Strom
Die Schillings zeigen es – so geht Solarstrom.
Die Schillings ziehen beim Solarstrom an einem Strang. Es ist so viel Energie da, dass auch ein Spaßbad im Garten problemlos geheizt werden kann.
Ein breites Lächeln erhellt das Gesicht von Berta Schilling. Die 92-Jährige liebt es, in ihrem Wintergarten zu sitzen. Ihre Blicken ruhen auf einer Augenweide aus saftigem Gras, gepflegten Blumenbeeten und einem blühenden Kirschbaum. Passanten vor dem Haus in Freiberg staunen ebenfalls – sie zeigen dabei regelmäßig auf einen kleinen schwarzen Zaun. Nur kniehoch ist er dazu da, Energie zu liefern.
Der niedrige Solarzaun hat es auch Berta Schiller angetan. „Der sieht doch gut aus“, sagt sie und lächelt wieder. Die Leistung der 15 schwarzen Fotovoltaikelemente ist mit 1,5 Kilowatt niedrig. Zum Vergleich: Zum Kochen auf zwei Herdplatten sind etwa drei Kilowatt nötig. „Mir ist wichtig, dass ich über den Zaun in die Welt hinausschauen kann“, sagt die gehbehinderte Eigentümerin des Hauses, das mit einer geballten Wucht Solarzellen ausgestattet ist, weil Berta Schiller mit ihrem Sohn Alexander nachhaltig investiert.
Vieles im Haus läuft inzwischen über Solarstrom vom Dach. Die Fotovoltaikmodule bringen es auf eine Leistung von stattlichen 11,1 Kilowatt. Sogar auf der Nordseite sind Module platziert. Ein Batteriespeicher von zehn Kilowattstunden (Kwh) hält Energie für den Abend fest. Und als weitere Stromquelle dient ein zweiter Solarzaun, der aber höher als der kleine ist und mit 38 Modulen und 3,8 Kilowatt tagsüber bei genügend Sonnenschein alleine einen Mehr-Personen-Haushalt mit Strom versorgen könnte.
Die Wünsche der Mutter erfüllt ihr Sohn Alexander, Techniker und IT-Experte bei einem großen Stuttgarter Automobilkonzern. Der 59-Jährige sieht sich im Team mit der Geldgeberin. „Sie liefert die Ideen, und ich führe sie aus“, sagt der Freiberger und erinnert an den eisernen Grundsatz seiner Mutter. „Das Haus soll, soweit es geht, mit Solarmodulen ausgestattet werden – alles andere wäre Verschwendung.“ Ein Rezept, das sich insbesondere in Zeiten erhöhter Inflation zu bewähren scheint.
Die Anlage soll sich nach 16 Jahren amortisiert haben
Die Kosten der Anlage mit Dach und Zäunen liegt laut Alexander Schilling bei rund 55 000 Euro. Die Anlage wäre nach 16 Jahren abbezahlt. Dabei rechnet Schilling mit einem Jahresverbrauch von 8500 Kwh, da auch das Spaßbad für die Kinder im Garten und Heizelemente im Haus den Durchschnittsverbrauch von sonst 3000 bis 5000 Kwh erhöhten. Ein Speicher im Keller sorge für einen Vorrat. Dabei stehe die Versorgungssicherheit an erster Stelle: „Sollte bei anderen Leuten das Licht ausgehen, bleibt es bei uns hell.“
Den Autarkiegrad beziffert Alexander Schilling auf rund 70 Prozent, seitdem die Anlage im vorigen Oktober im Winter zu laufen begann. Wenn erst einmal alle Zäune angeschlossen seien, werde das Haus zu mehr als 90 Prozent unabhängig von Stromlieferern. Die Mutter solle es warm haben, gerade im Wintergarten, der nur mit einer elektrischen Heizung ausgestattet ist. Deshalb werde der reichlich vorhandene Solarstrom künftig auch zum Heizen dienen. Die Schillings warten noch auf das Angebot für eine Wärmepumpe.
Die Idee für einen Solarzaun kam bei einem Glas Wein
Der Sohn zieht das Smartphone heraus. Auf dem Display erscheint eine Grafik. Sie zeigt den erzeugten Strom der vergangenen Wochen an. Einige Male gab es auch trotz bewölkten Himmels eine Überproduktion – der Reststrom werde für sechs Cent pro Kilowattstunde ins Netz eingespeist.
Die Solarzäune stammen von der Firma SolarConsult AG aus Freiberg. Deren Geschäftsführer Ralf Kleinknecht baute 2018 auf dem eigenen Grundstück den ersten Zaun aus Fotovoltaikelementen. Das Aha-Erlebnis hatte der Hersteller zuvor, als er abends bei einem Glas Wein seinen neuen Sichtschutzzaun, damals noch ohne Fotovoltaik, betrachtete und sich dachte: „Du hast jetzt 3500 Euro investiert, aber es kommt keine einzige Kilowattstunde Strom heraus.“ Ein Jahr später habe er das Modell auf zwei Messen vorgestellt, dann einen großen Zaunbauer als Partner gewonnen. „Jetzt sind wir bis Herbst ausverkauft.“
Anbieter: Kunden brauchen sich keine Sorgen über Diebstahl machen
Die Zaunmodule erbringen laut Kleinknecht im Winter mehr Ertrag als vergleichbar große Dachelemente, weil die Sonne in einem steileren Winkel auf die Module treffe. „So ergibt sich in Kombination mit einer Dachanlage das ganze Jahr über eine stabile Stromausbeute.“ Sorgen über den Diebstahl der Zaunelemente bräuchten sich die Kunden nicht machen. Ein einfaches aber effektives System verhindere kriminelle Akte. Das wolle er aber öffentlich nicht erklären.
Der niedrige Strompreis aus der Fotovoltaik überzeuge viele Kunden, so Kleinknecht. In Kombination mit einem guten Speichersystem könnten bis zu 80 Prozent des Jahresbedarfs in einem Ein- oder Zweifamilienhaus zum Preis von rund zwölf bis 15 Cent pro Kwh abgedeckt werden. Förderprogramme benötige der Markt nicht, ist sich Kleinknecht sicher. „Es reicht wenn die Verantwortlichen die bürokratischen Hürden und Bremsklötze entfernen.“